Exkursion an den Niederrhein
Am 5. Oktober 2013 begaben sich 32 Mitglieder und Gäste des Fördervereins der Christuskirche im vollbesetzten Bus auf evangelische Spuren am unteren Niederrhein, genauer: im Kreis Kleve.
Erstes Ziel war der Ort Louisendorf in der Gemeinde Bedburg-Hau, ansonsten bekannt durch das Schloß Moyland und die Rheinischen Kliniken. Hier gab es Informationen über pfälzische Aussiedler, die im Jahre 1741 aus vorwiegend religiösen Gründen ihre Heimat im Hunsrück verlassen mussten. Ihr Auswanderungsziel war Amerika. Wegen fehlender Ausweispapiere wurde ihnen an der holländischen Grenze bei Schenkenschanz die Weiterreise auf dem Rhein verweigert. Mit Unterstützung des preußischen Königshauses konnte ihnen nach langwierigen Verhandlungen im Gebiet der heutigen Gemeinde Goch Siedlungsgelände – zwar auf kargem Boden – zugewiesen werden. Davon zeugen heute noch die Ortsnamen Pfalzdorf und Louisendorf, letzteres im Andenken an die preußische Königin Luise.
Im Mittelpunkt des quadratisch angelegten Ortsbildes von Louisendorf wurde später die Elisabethkirche errichtet. Ihr Name geht ebenfalls auf eine preußische Königin zurück, der die Aussiedler zu großem Dank verpflichtet waren. Für die Neusser Besucher war besonders eindrucksvoll, dass die evangelischen Siedler inmitten eines rein katholischen Gebietes ihren Glauben wie auch weitgehend ihre Pfälzer Mundart über mehr als 250 Jahre bewahrt haben.
In der benachbarten Stadt Kalkar, auf deren von ehrwürdigen Giebelhäusern umrahmtem Marktplatz man sich bereits wie in Holland fühlen konnte, stärkte sich die Reisegruppe im historischen Ratskeller. Das Kalkarer Rathaus ist der größte erhaltene mittelalterliche Bau seiner Art im Rheinland. Am Nachmittag schloß sich eine Führung durch die katholische Pfarrkirche St. Nicolai an. Ihre Holzschnitzaltäre zählen zu den großartigsten Kunstschätzen am Niederrhein. Die Ausmalung und Ausstattung – ursprünglich verfügte die Kirche über 17 Altäre – des klevischen Backsteinbaus entstand im Wesentlichen zwischen den Jahren 1480 und 1543.
Evangelische Spuren konnten dann wieder in Kleve, überragt von seinem Wahrzeichen, der Schwanenburg, verfolgt werden. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war Kleve durch die Heirat des Grafen Adolf von Cleve mit Maria von Burgund eng in das europäische Machtgefüge eingebunden. Anna von Cleve brachte es aufgrund ihrer protestantischen Herkunft ein Jahrhundert später durch ihre Heirat mit Heinrich VIII. sogar für kurze Zeit zur englischen Königin. In diesem Zusammenhang erfuhren die Mitreisenden, dass auch unsere im Bus anwesende ehemalige Pfarrerin Ingeborg Kluge aus Kleve stammt.
Die in Nachbarschaft des Kurhauses der einstigen, besonders bei den Niederländern beliebten Badestadt Cleve gelegenen Klever Gärten waren ein weiteres Ziel. Das restaurierte Kurhaus beherbergt heute Werke der beiden Künstler Ewald Mataré und Joseph Beuys. Das sogenannte Amphitheater bildet den Mittelpunkt der auf den Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen zurückgehenden barocken Parkanlage aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Johann Moritz entstammte der protestantischen Linie der Grafen von Nassau-Siegen und war seinerzeit preußischer Statthalter mit Sitz in Kleve.
Zum Abschluss des informationsreichen Tages war noch das Anna-Sebus-Denkmal in Kleve-Wardhausen zu besichtigen. Die 17-jährige Anna konnte im Januar des Jahres 1809 während einer gewaltigen Hochwasserflut ihre Mutter retten. Bei dem anschließenden Versuch, auch eine Nachbarin mit ihren beiden Kindern ans trockene Land zu bringen, kam sie jedoch in den eisigen Fluten um. Anna Sebus zu Ehren wurde in der Nähe des Unglücksortes ein Denkmal errichtet. Diese Rettungstat fand damals ein so weitreichendes Echo, dass auch Johann Wolfgang v. Goethe, der sich gerade in Düsseldorf aufhielt, ihr eine Kantate widmete. Sie beginnt mit den Worten: „Der Damm zerreist, das Feld verbraus’t, die Fluhten spülen, die Fläche saus’t. Ich trage dich, Mutter, durch die Fluht, noch reicht sie noch hoch, ich wate gut.“
Auf der Rückfahrt trug der Vorsitzende des Fördervereins, Pfarrer Franz Dohmes, mit einigen humorvollen Versen von Hans Dieter Hüsch zur guten Stimmung im Bus bei. Der „Poet unter den Kabarettisten“ wurde als Kind protestantischer Eltern in Moers geboren und 2005/2006 auf dem Friedhof in Moers-Hülsdonk beigesetzt. Er sah sich selbst als „den Niederrheiner“ schlechthin, „der nix weiß, aber alles erklären kann.“
Dr. Dieter Michel